Spending Guidelines

Die Frage, die ich natürlich als erstes klären musste – und bei der ich nicht einfach mit Rilke in die Antwort hineinleben mochte: wie lange reicht mein Geld. Und welche Optimierungsmöglichkeiten gibt es, die meinen Wiedereintritt ins Erwerbsleben evtl. etwas hinauszögern könnten.

Tja, 13 Jahre in der Corporate World sind nicht spurlos an mir vorbei gegangen – und ich habe in der Zeit glücklicherweise durchaus einiges fürs Leben gelernt. Wie habe ich in den letzen Jahren gegen die Windmühlenflügel der Expense Restrictions gekämpft, mit Blut, Schweiß, Tränen und sehr viel Gezeter. Und jetzt habe ich selber welche. Freiwillig. Und ich weiß genau, wofür. Für meine eigene kleine Agenda!

Wie der Zufall es so will, hab ich im vergangenen Jahr akribisch über alle meine Ausgaben Buch geführt. Und konnte so jetzt wunderbar nachlesen, wo der ganze Zaster eigentlich abgeblieben ist. Ein spannender Krimi, schonungslos und ohne Weichzeichner. Hier gibt es natürlich nur die entschärfte Fassung – Ähnlichkeiten mit vorhandenen Anschaffungen oder versenkten Investitionen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt!

Ich hab mir als erstes überlegt, mit wie viel Geld ich im Monat auskommen möchte. Und dann meine Ausgaben in 4 Kategorien unterteilt:

1) Fixkosten: Miete, Versicherung, alles, was nicht beeinflussbar ist. Jedenfalls nicht so auf die Schnelle.

2) Ausgaben für Dinge, die ich beibehalten will, weil sie mir wichtig sind, vor allem in Hinblick auf die Ziele meiner Auszeit (siehe Lebe die Fragen). Also zB der Gesangsunterricht und das Fitness-Studio. Und das Auto. Erstaunlich genug, nachdem ich ja nun die längste Zeit meines Lebens Totalverweigerer war und der Welt beweisen musste, dass man mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkommt. Aber nach dem Ende dieser spätpubertären ökologischen Trotzphase und dem Erwerb eines Führerscheins vor 7 Jahren habe ich die Spontaneität zu schätzen gelernt, die mein Leben dadurch gewonnen hat. Und ohne spontane Exkursionen ist so eine Reise zum Ich ja nur der halbe Spaß.

Außerdem liebe ich mein tapferes kleines Auto!

3) Ausgaben, die man reduzieren kann: Benzin! So sehr ich es liebe, durch die Gegend düsen – das Auto darf jetzt auch mal ein paar Tage am Stück in der Garage stehen. Entschleunigung ist angesagt. Der Solidarität halber spare ich aber auch bei mir am Treibstoff: Kosten für Verpflegung waren letztes Jahr ein riesiger Posten. Das sah dann so aus: Lieber schnell was essen gehen anstatt selbst zu kochen. In der Kantine nach Lust & Laune und nicht nach Preis auswählen. Immer ein bisschen mehr einkaufen als nötig, weil man keine Lust hat, einen Küchenplan zu machen.

Und auch bei vielen andern Konsumartikeln kann ich künftig fragen, ob ich sie wirklich brauche. Bzw. ob es günstigere oder kostenlose Alternativen gibt. Vielleicht kann man manche Dinge selber machen oder leihen (wie wäre es zB mal mit einem Bücherei-Ausweis?). Vielleicht kann man Freunde besuchen anstatt Urlaub in einer Ferienwohnung zu verbringen. Und Geschenke könnte ich selbst machen oder am besten gleich gemeinsame Zeit verschenken.

4) Ausgabe-Stopp: Klamotten! Auch wenn ich jeden Morgen ratlos davor stehe – mein Kleiderschrank platzt aus allen Nähten. Ich sollte es wirklich ein Jahr lang ohne Neuanschaffungen aushalten können. Und wenn der Shopping-Trieb nicht mehr zu bändigen ist, dann pick mir all die Teile aus dem Kleiderschrank, die ich noch nie getragen hab, tacker ein Preisschild dran und tu so, als hätte ich sie neugekauft.

Wohnungseinrichtung & Deko: Auch da herrscht der schiere Überfluss. Da bin ich fast froh, dass ich mit meiner Auszeit einen Anlass gefunden hab, mich selbst zu stoppen. Der Kram in meiner Wohnung kostet ja nicht nur Geld und Zeit, ehrlich gesagt engt er mich auch innerlich ein. Er lenkt mich ab von den wichtigen Themen und macht mich unruhig – wie in einem überfüllten Warenhaus, in dem man aus dem Auge verliert, was man wirklich braucht und will.

Mit diesen Spending Guidelines sollte ich es schaffen, noch ein paar Wochen länger ohne Job auszukommen. Und zum ersten Mal wird mir so richtig klar, was das eigentlich heißt: Geld oder Leben. Wir tauschen tatsächlich unsere Lebenszeit ein gegen Geld. Und je weniger Geld wir brauchen, desto mehr Leben bleibt für uns übrig.

Und vielleicht hat die EAV ja doch NICHT Recht, wenn sie singt:

Dollar, D-Mark, Schilling, Lire,
Rubel, Franken oder Pfund:
Die Vermehrung uns’rer Währung
ist der wahre Lebensgrund.

Ach … ach was!

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